Bert Kondruss, KonBriefing Research, Deutschland
Generative Künstliche Intelligenz (GenAI) verändert die Art und Weise, wie Unternehmen Informationen nutzen und Entscheidungen treffen. Auch im Governance-, Risk- und Compliance-Management (GRC) eröffnet sie neue Möglichkeiten: von der schnelleren Analyse komplexer Dokumente über die automatisierte Risikoerkennung bis hin zur effizienteren Erstellung von Richtlinien und Berichten. Diese Seite zeigt, was GenAI ist, welche Chancen und Herausforderungen damit verbunden sind. Außerdem erfahren Sie, worauf Sie achten sollten, wenn Sie ein GRC-Tool mit GenAI-Funktionen auswählen oder einsetzen.
Wichtig
GenAI in GRC-Tools
Generative AI
Entstanden aus modernen KI-Ansätzen, generiert neue Inhalte und unterstützt die Wissensarbeit. Nutzen: Effizienzsteigerung, Skalierbarkeit, Mustererkennung in großen Datenmengen, kreative Unterstützung.
Allgemeine Anwendungsfälle:
Textgenerierung, Analyse, Chatbots, Dokumentenprüfung, Code-Erstellung.
GRC-spezifische Anwendungsfälle
Policy-Management, Risikoidentifikation, Compliance-Monitoring, Audit-Unterstützung, Trainings.
Herausforderungen
Risiken wie ungenaue Ergebnisse, Datenschutzfragen, Bias und mangelnde Nachvollziehbarkeit.
Ausblick
GenAI wird GRC-Tools von statischen Systemen zu aktiven Assistenten weiterentwickeln.

Was ist Generative KI?

Generative Künstliche Intelligenz (GenAI) bezeichnet Systeme, die auf Basis großer Datenmengen neue Inhalte generieren können, beispielsweise Texte, Bilder, Code oder sogar Strategievorschläge. Ihren Ursprung hat GenAI in der Weiterentwicklung klassischer KI-Ansätze:
  • In den 2010er Jahren führten Deep-Learning-Verfahren und neuronale Netze zu Durchbrüchen in der Mustererkennung.
  • Ab ca. 2018 kamen Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) auf, die erstmals menschlich anmutende Texte erzeugen konnten.
  • Heute bildet GenAI die Grundlage vieler Anwendungen, die produktive und kreative Aufgaben unterstützen, z.B. Chatbots, automatisierte Analysen, Compliance-Assistenten u.a.
Die Funktionsweise basiert auf dem Erkennen von Mustern in gewaltigen Datenmengen. Statt nur vorhandene Daten zu analysieren, erstellt GenAI daraus plausible neue Inhalte. Das macht sie besonders vielseitig und nützlich für Wissensarbeit.
GenAI vs. LLM: GenAI ist der übergeordnete Begriff für KI-Systeme, die neue Inhalte erzeugen können, z.B. Texte, Bilder, Audio, Videos, Code oder Designs. Large Language Models (LLM) sind eine Unterkategorie innerhalb von GenAI, die auf natürliche Sprache spezialisiert sind.

Allgemeine Nutzenaspekte von GenAI

  • Effizienzsteigerung: Routinetätigkeiten wie Recherchen, Textentwürfe oder Analysen können beschleunigt werden.
  • Kreative Unterstützung: GenAI liefert Ideen, Szenarien oder Handlungsoptionen, auf die Menschen nicht unmittelbar kommen würden.
  • Personalisierung: Inhalte lassen sich automatisch an Zielgruppen oder Kontexte anpassen.
  • Skalierung: GenAI kann Aufgaben in großer Menge und Geschwindigkeit bearbeiten, z.B. beim Screening von Dokumenten oder Richtlinien.

Anwendungsfälle von GenAI

Typische allgemeine Anwendungsfälle

Besonders stark ist GenAI, wenn große Mengen unstrukturierter Informationen schnell durchdrungen werden müssen.
  • Textgenerierung: Berichte, Zusammenfassungen, FAQs.
  • Datenanalyse und Interpretation: Erkennen von Mustern, Trends oder Abweichungen.
  • Dialogsysteme: Intelligente Chatbots für Support oder Beratung.
  • Code-Generierung: Unterstützung in der Softwareentwicklung.
  • Dokumentenprüfung: Automatische Klassifizierung, Extraktion oder Vergleich von Texten.

Generative AI im GRC-Umfeld

Im Governance-, Risk- und Compliance-Management ergeben sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten. GenAI eignet sich hier besonders, weil GRC oft mit umfangreichen, textlastigen Informationen arbeitet, die strukturiert ausgewertet werden müssen:
  • Policy-Management: Automatisches Entwerfen, Prüfen und Aktualisieren von Richtlinien.
  • Compliance-Monitoring: Automatisiertes Screening von Dokumenten, Verträgen oder Transaktionen auf Verstöße.
  • Audit-Unterstützung: Erstellung von Audit-Berichten, Zusammenfassungen oder Abweichungsanalysen.
  • Training und Awareness: Entwicklung interaktiver Lerninhalte und realitätsnaher Szenarien.

Beispielhafte Anwendungsfälle nach GRC-Disziplin

Für nahezu jede GRC-Disziplin lassen sich Anwendungsfälle finden, die durch GenAI unterstützt und effizienter gestaltet werden können. Entweder durch die Automatisierung von Routinetätigkeiten, durch die schnellere Verarbeitung großer Datenmengen oder durch die Bereitstellung von fundierten Entscheidungsvorlagen, die Fachabteilungen entlasten.
  • Risikomanagement: Scannen regulatorischer Änderungen zur Risikoidentifikation, Generierung von Risiko-Szenarien, Zusammenfassung von Risiko-Workshops und -Berichten, Priorisierung von Risiken anhand interner und externer Daten.
  • Internes Kontrollsystem (IKS): Formulierung neuer Kontrollen auf Basis regulatorischer Vorgaben, Prüfung von Kontrollbeschreibungen auf Vollständigkeit, Generierung von Testplänen, Identifikation von Kontrolllücken durch Abgleich mit Best Practices.
  • Informationssicherheitsmanagement / ISMS: Erstellung und Aktualisierung von Sicherheitsrichtlinien, Generierung von Risikoanalysen aus Vorfalls- und Bedrohungsdaten, Klassifizierung von Sicherheitsvorfällen, Unterstützung bei Audit-Vorbereitungen (z.B. ISO 27001 oder IT Grundschutz).
  • Datenschutz-Management: Analyse von Verträgen auf DSGVO-relevante Inhalte, Erstellung und Pflege von Verarbeitungsverzeichnissen, Generierung von Vorlagen für Betroffenenanfragen, Unterstützung bei Datenschutzfolgenabschätzungen (DFA).
  • Drittpartei-Management: Screening von Lieferanteninformationen (Compliance, ESG, Finanzen), Erstellung von Risikoprofilen aus Fragebögen, Zusammenfassung von Auditberichten und Zertifizierungen, Generierung von Vertragsklauseln zu Compliance-Anforderungen.
  • Business Continuity Management: Erstellung und Aktualisierung von Notfallplänen, Simulation von Krisenszenarien, Analyse von Lessons Learned aus Übungen und Vorfällen, Unterstützung bei der Business Impact Analysis (BIA).
  • Krisenmanagement: Drafts für Kommunikationspläne und Pressemitteilungen, Generierung von Szenarien für Krisenübungen, Aggregation relevanter Informationen zur Entscheidungsunterstützung, Chatbot für Notfallteams mit Zugriff auf Richtlinien.
  • Regulatory Compliance: Monitoring und Zusammenfassung regulatorischer Änderungen, Mapping neuer Vorschriften auf interne Policies, Erstellung von Compliance-Reports, Unterstützung bei Self-Assessments und Audits.
  • Tax Compliance: Analyse steuerlicher Gesetzesänderungen, Generierung von Steuerreporting-Entwürfen, Unterstützung bei Transfer-Pricing-Dokumentationen, Erstellung von Standardantworten auf Behördenanfragen.
  • ESG-/Sustainability-Management: Generierung von Nachhaltigkeitsberichten, Analyse von ESG-Risiken in Lieferketten, automatische Erfassung von Nachhaltigkeitskennzahlen, Unterstützung bei regulatorischen ESG-Offenlegungspflichten.

Herausforderungen und Risiken beim Einsatz von GenAI

Bei der Nutzung von GenAI im GRC-Kontext ergeben sich Chancen, aber auch bestimmte Herausforderungen, die Unternehmen aktiv managen müssen. Ein zentrales Thema ist die Verlässlichkeit der Ergebnisse. Sprachmodelle können zwar überzeugende Texte und Analysen liefern, es besteht jedoch das Risiko sogenannter "Halluzinationen", also inhaltlich falscher oder erfundener Aussagen. Dieses Problem lässt sich durch Qualitätssicherung und einen klar definierten Human-in-the-Loop-Prozess adressieren, bei dem Fachanwender die Ergebnisse prüfen und freigeben.
Ebenso relevant ist der Datenschutz. GRC-Systeme verarbeiten häufig hochsensible Informationen, etwa zu internen Prozessen, Geschäftspartnern oder regulatorischen Vorgaben. Damit diese nicht unkontrolliert in externe Systeme gelangen, sollten Verschlüsselung, Zugriffskontrollen und gegebenenfalls On-Premises- oder Private-Cloud-Lösungen eingesetzt werden.
Ein weiteres Risiko ist der Bias in den Trainingsdaten. Da GenAI auf großen Datenmengen basiert, können unbewusste Verzerrungen in die Ergebnisse einfließen. Unternehmen sollten daher auf transparente Modelle, regelmäßige Validierungen und eine kontinuierliche Überwachung der Outputs setzen, um diskriminierende oder unfaire Resultate zu vermeiden.
Darüber hinaus spielt die Nachvollziehbarkeit eine wichtige Rolle. Im GRC-Umfeld müssen Entscheidungen dokumentiert und begründet werden können. Es ist daher essenziell, dass die GenAI-gestützten Funktionen Auditierbarkeit und Protokollierung bieten, sodass jederzeit ersichtlich bleibt, wie eine Analyse oder Empfehlung zustande kam.
Nicht zuletzt müssen Unternehmen die Regulatorik selbst beachten. Der Einsatz von GenAI sollte stets im Einklang mit bestehenden Gesetzen wie der DSGVO sowie mit branchenspezifischen Standards erfolgen. Klare Governance-Richtlinien für den KI-Einsatz, eine regelmäßige Schulung der Anwender und die Auswahl von vertrauenswürdigen Anbietern sind dafür entscheidende Bausteine.
Zusammengefasst: Mit den richtigen Rahmenbedingungen kann GenAI im GRC-Kontext enorme Mehrwerte schaffen. Voraussetzung: Themen wie Verlässlichkeit, Datenschutz, Bias, Nachvollziehbarkeit und Compliance werden konsequent adressiert.

Worauf achten bei Auswahl eines GRC-Tools mit GenAI?

Allgemein

Bei der Auswahl eines GRC-Tools mit GenAI-Funktionen sollten Unternehmen mehrere Aspekte besonders im Blick behalten. An erster Stelle steht die Transparenz: Ein Tool sollte nachvollziehbar machen, wie Empfehlungen und Analysen zustande kommen, damit Anwender die Ergebnisse prüfen und dokumentieren können. Ebenso wichtig ist die Datensicherheit, denn gerade im GRC-Kontext werden sensible Informationen verarbeitet, sodass Funktionen wie Verschlüsselung, Zugriffskontrollen und DSGVO-Konformität zwingend notwendig sind.
Darüber hinaus ist die Integrationsfähigkeit entscheidend. GenAI bringt nur dann echten Mehrwert, wenn es sich reibungslos in bestehende Systeme wie ERP, Dokumentenmanagement oder Risikomanagement-Software einfügt. Gleichzeitig sollte das Tool ein hohes Maß an Anpassbarkeit bieten, damit unternehmensspezifische Richtlinien, Workflows und regulatorische Anforderungen abgebildet werden können.
Ein weiteres Auswahlkriterium ist die Auditierbarkeit. Damit Unternehmen den Einsatz von GenAI jederzeit rechtfertigen können, sollte das Tool eine lückenlose Protokollierung aller Ergebnisse und Nutzerinteraktionen gewährleisten. Ergänzend spielt die Benutzerfreundlichkeit eine Rolle: Intuitive Oberflächen und Assistenten senken die Einstiegshürden und fördern die Akzeptanz bei den Anwendern.
Schließlich sollten Unternehmen die Zukunftssicherheit der Lösung berücksichtigen. Anbieter, die eine klare Produkt-Roadmap und kontinuierliche Weiterentwicklung im Bereich GenAI vorweisen können, bieten mehr Investitionssicherheit. Ebenso sollten die Lizenz- und Kostenmodelle transparent gestaltet sein, um Überraschungen bei wachsendem Nutzungsvolumen zu vermeiden.

Kriterien

Hier eine Liste mit Kriterien für einen Anforderungskatalog (RFI/RFP) zur Auswahl einer GRC-Software mit GenAI-Funktionen. Vor der Nutzung sollten die Kriterien auf die eigene Situation angepasst werden.
  • Transparenz und Erklärbarkeit:
    Das Tool muss nachvollziehbar machen, wie GenAI-gestützte Ergebnisse, Analysen oder Empfehlungen zustande kommen.
  • Datenqualität und Training:
    Möglichkeit zur Einbindung unternehmensspezifischer Daten (z.B. Policies, Kontrollen, Prozesse) zur Verbesserung der Ergebnisqualität.
  • Datenschutz und DSGVO-Konformität:
    Sicherstellung, dass alle GenAI-Funktionen die regulatorischen Anforderungen an Datenschutz und Datenlokalisierung erfüllen.
  • Informationssicherheit:
    Unterstützung von Verschlüsselung, Rollen- und Rechtemodellen sowie sicheren Betriebsoptionen (z.B. Private Cloud, On-Premises).
  • Bias- und Fehlerkontrolle:
    Mechanismen zur Erkennung, Vermeidung und Korrektur von Verzerrungen oder fehlerhaften Ausgaben.
  • Human-in-the-Loop:
    Möglichkeit, dass Fachanwender Ergebnisse prüfen, kommentieren und freigeben, bevor kritische Aktionen umgesetzt werden.
  • Auditierbarkeit und Protokollierung:
    Vollständige Nachverfolgbarkeit aller GenAI-generierten Ergebnisse, inkl. Zeitstempel und Nutzernachweisen.
  • Integrationsfähigkeit:
    Nahtlose Anbindung an bestehende Systeme (ERP, DMS, HR, Finance, Risk Tools, Collaboration-Plattformen).
  • Anpassbarkeit und Konfiguration:
    Flexible Anpassung der GenAI-Funktionen an Unternehmensrichtlinien, regulatorische Anforderungen und individuelle Workflows.
  • Mehrsprachigkeit:
    Unterstützung relevanter Unternehmenssprachen für globale Nutzung.
  • Aktualität der Modelle:
    Regelmäßige Aktualisierung der GenAI-Modelle mit regulatorischen, branchenspezifischen und technischen Neuerungen.
  • Benutzerfreundlichkeit:
    Intuitive Nutzung der GenAI-gestützten Funktionen (z.B. Chatbots, Assistenten, kontextbezogene Hilfen).
  • Performanz und Skalierbarkeit:
    Hohe Leistungsfähigkeit bei großen Datenmengen sowie Unterstützung vieler paralleler Nutzeranfragen.
  • Branchenspezifisches Domänenwissen:
    Verfügbarkeit von GRC-relevanten Funktionen wie Policy-Management, Risikoanalyse, Compliance-Monitoring oder Audit-Support.
  • Zukunftssicherheit und Roadmap:
    Nachweis einer klaren Produktstrategie und Weiterentwicklung im Bereich GenAI, um langfristige Investitionssicherheit zu gewährleisten.

Ausblick

GenAI wird die Rolle von GRC-Tools deutlich verändern. Der Trend geht von bisher passiven Datenbanken hin zu aktiven und autonom arbeitenden Assistenten entwickeln, die Risiken erkennen, Maßnahmen vorschlagen und Entscheidungen vorbereiten. Unternehmen profitieren dadurch von höherer Effizienz und einer deutlich gesteigerten Reaktions- und Anpassungsfähigkeit.